Selsen
Erste Erwähnung: | 1318 |
Einwohner 1939: | 175 |
Fläche: | 213 ha |
Landkreis: | Zwittau |
tschech. Name: | Želívsko |
Verweise
Kurz vor der Jahrhundertwende war Selsen angeblich, wegen seines gesunden Klimas, als Standort für ein Lungensanatorium ausgewählt worden. Der Ort sollte großzügig an das Straßennetz angebunden werden und einen Eisenbahnanschluß erhalten. Selsen hätte von dieser Einrichtung wirtschaftlich enorm profitiert. Die Eigentümer ließen sich aber nicht bewegen, das vorgesehene Gelände zu verkaufen und der Gemeinderat votierte ebenfalls gegen das Projekt. So baute man das Sanatorium schließlich bei Gewitsch in der Nähe von Hinter Ehrnsdorf.
Der früheste Hinweis auf die bäuerlich geprägte Gemeinde findet sich im Lehensverzeichnis der Jahre 1318-1326. Unter dem Namen Zyelewsko ist es dort als bischöflicher Besitz vermerkt. Vermutlich ist der Ort also eine Gründung im Rahmen der von Bischof Bruno von Olmütz ab 1245 initiierten Besiedlung. Die Bewohner der Gemeinde waren immer Tschechen und Deutsche. Unter seinem deutschen Namen Selsen erscheint der Ort in einer Beschreibung des mährischen Wegenetzes aus dem Jahr 1775. Angaben zu Einwohnerzahlen sind z.T. nicht eindeutig, da sich deutsche und tschechische Quellen widersprechen. Nach der Volkszählung von 1910 lebten dort 176 Deutsche und 24 Tschechen. Die Volkszählung von 1939 nennt in Land- und Forstwirtschaft 85 Personen, in Industrie und Handwerk 52, in Handel und Dienstleitung 14 und 24 Selbständige.
Selsen gehörte zusammen mit den Dörfern Nieder Rauden, Mährisch Chrostau, Mußlau und Mährisch Wiesen zum Pfarrsprengel Brüsau und der dortigen St. Bartholomäus-Kirche. Eine eigene deutsche Schule gab es zunächst nicht. Im Jahr 1882 erbauten die Gemeinden Ober Rauden, Nieder Rauden und Selsen in Nieder Rauden ein neues Schulgebäude mit zwei Klassräumen. Von den 8.000 Gulden Baukosten übernahm Ober Rauden 3/6, Nieder Rauden 2/6 und Selsen 1/6. Aus dieser Schule wird berichtet, dass im Klasszimmer ein Handwebstuhl stand, auf dem der Lehrer während des Unterrichts zeitweise arbeitete und auf unruhige Kinder Garnspulen warf. Die Eltern zahlten Schulgeld, aber zum Lebensunterhalt des Lehrers reichte es nicht, er musste zusätzlich die Landwirtschaft und Handweberei betreiben. Der deutsche Schulverein errichtete schließlich in Selsen eine Zweigstelle und 1909 konnte die einklassige deutsche Volksschule eröffnet werden. [HS-01, S. 39]
Der Selsner Bach diente der Versorgung mit Brauchwasser und als Viehtränke. Nachdem 1898 in Selsen Typhus aufgetreten war und zwei Einwohner starben, was dem Wasser des Baches zugeschrieben wurde, entstanden vereinzelt Wasserleitungen. Im Jahr 1930 ließ die Gemeinde eine Anlage für das ganze Dorf bauen.
Bereits um die Jahrhundertwende stand im Unterort ein Glockenhaus, daneben zwei eingerahmte Marienstatuen auf Holzsockeln. Hier war das Zentrum für örtliche religiöse Veranstaltungen wie z.B. Flurprozessionen. Im Turm hing eine 50 kg schwere Messingglocke, die 1916 dem Metallbedarf des 1. Weltkriegs zum Opfer fiel.
"Es dauerte mehrere Jahre, bis bei der Firma Wagner und Hickl in Mährisch Trübau eine neue Glocke in Auftrag gegeben werden konnte, größer und schöner als die alte. Sie wog 200 kg, war aus Stahlguss gefertigt und kostete 4.000 Kronen. Für diese Glocke mußte auch ein neues Glockenhaus gebaut werden, denn das vorhandene war schadhaft und für die schwerere Glocke nicht stabil genug. Im Frühjahr 1925 waren Glocke und Glockenhaus fertig gestellt und konnten geweiht werden. Dieses Ereignis feierte das ganze Dorf mit einem großen Fest." [HS-01, S. 28f]