Startseite

Zwittau

Erste Erwähnung:1256
Einwohner 1939:10.413
Fläche:895 ha
Landkreis:Zwittau
tschech. Name:Svitavy
geographische Lage:N 49°45', O 16°28'
Bemerkenswertes: Das "mährische Manchester"
Textilindustrie
Ottendorfersche Volksbibliothek
Krippenstadt
Oskar Schindlers Heimat
Karte Schönhengstgau x
Zwittau

Leinwandfabrik und Juteweberei Zwittau steht im Schönhengstgau für Industrie. Schon im ältesten Stadtbuch von 1515 wird eine Tuchmacherzunft erwähnt, wenig später die Leinenweberzunft. Um die Wende zum 18. Jahrhundert entwickelte sich aus der Leinen- die Baumwollweberei, Mitte des 19. Jahrhunderts erreichte die Tucherzeugung auf Handwebstühlen einen Höchststand. An die 200 Tuchmacher und Tuchbereiter, vier Wollspinnereien, vier Schwarzfärber und vier Schönfärber erzeugten etwa 15.000 Stück Tuch im Wert von rund 1.200.000 Gulden. 1914 beschäftigte die Textilindustrie etwa 3.000 Arbeiter in mehreren großen Betrieben, dazu waren 2.000 Heimarbeiter für die Webereien tätig. Obwohl die Branche mehrere Krisen durchlebte, blieb sie bis 1945 erhalten. Fachleute in der gesamten Donaumonarchie kannten "Zwittauer Barchente".

Ab 1885 arbeitete in Zwittau eine staatliche Tabakfabrik in einem eigens errichteten Bau und 1897 beschäftigte sie bereits 1.342 Arbeiter - besser: Arbeiterinnen. Eine Maschinenfabrik mit immerhin 40 Arbeitern fand sich seit 1880. All dies begründete den Ruf der Stadt als dem "mährischen Manchester". Zwar bedeutete der keinen deutlichen Vorsprung an Wohlstand gegenüber anderen Schönhengster Städten, aber es gab doch eine beachtlich entwickelte Infrastruktur. Neben Gas- und Elektrizitätswerk verfügte Zwittau über mehrere Parks - etwa den der Langer-Villa, die ab 1933 als Rathaus diente - und zwei Freibäder.

Stadtplatz Gegründet um 1250 vom Olmützer Bischof Bruno von Schaumburg, Opfer der Hussiten (1424), mehrfach besetzt von verschiedenen Truppen (schwedischen, preussischen, russischen und französischen), wiederholt Feuersbrünsten zum Opfer gefallen (1590, 1781, 1818), hatte die Stadt seit der Anbindung an die Eisenbahnlinien der Monarchie (Brünn, Böhmisch Trübau, Politschka) ab Mitte des 19. Jahrhunderts ihr Gesicht entscheidend gewandelt. Bei aller "Modernität" blieb aber das Wahrzeichen Zwittaus erhalten: der rechteckige Marktplatz mit seinen Renaissancehäusern und breitgewölbten Laubengängen.

Die Stadtpfarrkirche Mariä Heimsuchung, die frühere Klosterkirche der Prämonstratenser, wurde 1781-1796 im spätbarocken Stil umgebaut. Ebenfalls "barockisiert" ist die dem Hl. Ägidius geweihte und im romanischen Stil errichtete Friedhofskirche, die "Egidi-Kirche". Die Floriani-Kirche (Spitalkirche) aus der Zeit um 1730 schmückten zwei Altarblätter des Judas Thaddäus Supper.

Zwittau rühmte sich seiner Krippen. In der Zwischenkriegszeit soll es dort weit über 400 größere und kleinere handgeschnitzte Krippen gegeben haben. Die Tradition reicht bis ins 17. Jahrhundert zurück und 1923 wird der Zwittauer Krippenverein gegründet.

Stadtplatz Die Geschichte Zwittaus wäre unvollständig erzählt ohne den Namen Oswald Ottendorfer (1826-1900). Der ließ in seiner Heimatstadt, nachdem er in New York als "Zeitungsmacher" zu Vermögen gekommen war, eine Bibliothek errichten (1892), die Ottendorfersche Volksbibliothek. Sie ist in ihrer Art über das Sudetenland hinaus beispielgebend geworden.

Ein anderer berühmter Zwittauer war Franz Jesser (1869-1954), Reichstagsabgeordneter und politischer Publizist, der sich nach 1918 für die deutschen Belange einsetzte, etwa in der kleinen Schrift "Nationale und wirtschaftliche Verhältnisse im Schönhengstgau" (1919). Zu spätem Ruhm kam Oskar Schindler (1908-1974), ein Industrieller, der zahlreichen Juden das Leben rettete und in dem Oskar-prämierten Spielfilm "Schindlers Liste" von Stefan Spielberg Verewigung fand.

Die Zwittauer Geschichtschreibung profitiert von dem glücklichen Umstand, dass die Stadtbücher seit 1515 lückenlos erhalten sind. Carl Lick, ehemaliger Bürgermeister und Stadtchronist fand darin reichhaltiges Material. Er berichtet aus einer Denkschrift: "Anno 1784 den 1. Oktober als über das Presbiterium (der Pfarrkirche) der neue Dachstuhl erbaut, und auf diesem Türmlein der Knopf aufgesetzt wurde, regirte der glorreiche Kaiser Josefus II. und Anno 1781 den 4. September ereignete sich eine höchst bedauernswürdige Feuersbrunst, so durch Fahrlässigkeit des Schmalzes unwissend von wem entstanden, da eben der Jahrmarkt abgehalten wurde und jedermann beschäfftigt war, daß die ganze Stadt Zwittau, wie sie in ihren Ringsmauern umfangen gewesen, vom Grunde abgebrannt und nur ein einziges Häusl einer Wittwe übrig bliebe, mit Namen Elisabetha Huschkin .. übrigens ist die sogenannte Stadtkirch, das Rath- und Bräuhaus nebst allen befindlichen Häusern denen wüthenden Flammen zum Raub geworden, nebst der Stadt ist also auch die ganze Neustadt und die Vorstadt gegen Landskron, die Hältergasse genannt, aus dem Grunde abgebrannt, wobei insgesamt Zweihundert und vierzig Neun Häuser und dreißig fünf Scheuern mit angefüllten Feldfrüchten in die Asche verwandelt worden sind. Der Verlust, den die Inwohner an ihren Habseligkeiten erlitten, war umso schmerzlicher weilen jeder nur sein Leben zu salvieren genöthiget wurde, indeme in einer Viertelstunde die ganze Stadt in Flammen stunde, von dahero da eben der Brandschaden bis in die 700.000 fr. sich erstreckte. Bei dieser mißlichen Lage ist auch das schöne Geläut bei der sogenannten Stadt- oder unser lieben Frauen Kirchen zu Grunde gegangen ... welches nun daher umso bedauernswürdiger ist, als daß wenig dergleichen Geläut im Markgrafthum Mähren zu finden, mit welchen dieses nicht um den Vorzuge in die Wette gestritten hätte." [CL-02, S. 48f]