Charlottendorf
Erste Erwähnung: | 1787 |
Einwohner 1939: | 175 |
Fläche: | 436 ha (mit Wojes) |
Landkreis: | Mährisch Trübau |
tschech. Name: | Karlin |
geographische Lage: | N 49°46', O 16°45' |
Verweise
Noch vor der Dorfgründung befand sich auf dem Gebiet des späteren Charlottendorf ein Gasthaus, in dem Kaufleute mit ihren Fuhrwerken Halt machten. Die Ansiedlung entstand, als man unter Kaiser Josef II. dem noch von Maria Theresia (1740-1780) erlassenen Gebot nachkam, die nicht mehr gewinnbringenden Meierhöfe aufzuteilen. Unter den dazu gehörigen Fürst Liechtensteinschen Meierhöfen war auch der von Wojes. Man plante die Errichtung von 22 Siedlerstellen und am 6. September 1787 konnten Interessierte einen Besitz ersteigern.
Der Ort erfuhr später, u.a. durch Ankauf von fürstlichem Baugrund, eine Erweiterung. 1869 bestand Charlottendorf aus 42 Häusern mit insgesamt 265 Einwohnern. Schon bei Gründung war es nach Grünau eingepfarrt und eingeschult worden. Aber der Ort besaß ein kleine, der Gottesmutter Maria geweihte Kapelle, aus festem Material gebaut und mit Schiefer bedeckt.
Die der Gemeinde zugehörenden Äcker erbrachten nur wenig Ertrag. So war zwar auch dieses Schönhengster Dorf von der Landwirtschaft geprägt. Aber die Handweberei bildete eine wichtige Ertragsquelle, ebenso die Holzfällerei in den herrschaftlichen Wäldern. Und schon früh wandten sich Charlottendorfer dem Fuhrgeschäft zu und beförderten den seinerzeit so begehrten Sandstein aus den Alt Moleteiner und Wojeser Steinbrüchen. Er fand u.a. für den Wiederaufbau der Burg Busau Verwendung.
In der Nähe Charlottendorfs, aber schon auf Wojeser Gebiet, stehen zwei alte Sühnekreuze, "Zigeunerkreuze" genannt. Die Sage um diese Kreuze findet sich im Volksschauspiel "Das Zigeunerkreuz" verarbeitet, das am 30. Dezember 1928 von der Ortsgruppe des "Bundes der Deutschen Nordmährens" in der Gemeinde aufgeführt wurde.
Wie in anderen Orten war in den 20-er Jahren ein Gemeindegedenkbuch angelegt und noch bis 1945 geführt worden. Das Schicksal des Werkes über dieses Datum hinaus ist nicht bekannt.
Zur Geschichte des Ortes Charlottendorf und seiner Waldwirtschaft
Von Erwin Jarmer (Ortsbetreuer)
Das Leben und Wirken der Charlottendorfer Familie Zirnig ist in geschichtlichen Ereignissen des 17. und 18. Jahrhundert begründet. Anfang des 17. Jahrhunderts verstärkten sich in Böhmen und Mähren die Gegensätze zwischen den protestantischen Ständen und Adeligen auf der einen Seite und dem katholischen Habsburger Kaiserhaus unter Kaiser Ferdinand II. Es kam 1618 zum "Prager Fenstersturz" und Ausbruch des "Dreissigjährigen Krieges". Am 8.11.1620 wurden in der Schlacht am Weißen Berg die aufständischen Stände und Adeligen vom kaiserlichen Heer unter Graf Tilly und Kurfürst Maximilian von Bayern vernichtend geschlagen. 27 Rädelsführer wurden gefangen und hingerichtet, die anderen Aufständischen Anführer wurden geächtet und mussten außer Landes fliehen. Deren Vermögen, Besitzungen, Güter und Wälder wurden von der kaiserlichen Kommission eingezogen.Der Anführer der mährischen Aufständischen, der Trübauer Grundherr Ladislaus Welen von Zierotin, konnte heimlich aus seinem Schloss fliehen. Am 15.3.1622 wurden die ganzen Besitzungen Zierotins vom Kaiser seinem Prager Stadthalter, dem katholischen Fürsten Karl von Liechenstein zum Lehen gegeben. Dazu gehörte das Majorat über die Stadt Mährisch Trübau und die Grundherrschaft über große Ländereien, Wälder und Wirtschaftsbetriebe. Dem Rat der Stadt wurde ein Fürstenrichter vorgesetzt. Im Trübauer Schloss wurde die Fürst Liechtensteinsche Verwaltung eingerichtet. Fürst Karl von Liechtenstein führte in seinen Herrschaftsbereichen die Gegenreformation mit aller Härte durch: Die evangelischen Pfarrer wurden ausgewiesen, wer von der Bevölkerung nicht katholisch war, bzw. nicht katholisch wurde, musste das Land verlassen. Er behandelte die Bürger als seine Untertanen und machte sie robotpflichtig.
Auch die nachfolgenden Liechtensteiner herrschten streng und waren auf Wirtschaftlichkeit aus. Erst die Aufhebung der Leibeigenschaft durch den fortschrittlichen Kaiser Joseph II (1765-1790) brachte für die Landbevölkerung große Erleichterung. In den Revolutionsjahren 1848/49 kam es zur Entlassung der Bürger aus der Untertänigkeit und zur Aufhebung der Grundherrschaft. Das Fürstenhaus Liechtenstein blieb weitere 80 Jahre der größte Grund- und Waldbesitzer in Mährisch Trübau und Umgebung.
Die Fürst Liechtensteinschen Waldreviere
Zu der Fürst Liechtensteinschen Grundherrschaft Mährisch Trübau gehörten große Waldgebiete. Das Fürstenhaus und deren Forstverwaltungen waren immer bestrebt, durch geschultes Personal, verbesserte Holzungen und eigene Waldpflanzenschulen die Erträge aus der Waldwirtschaft zu erhöhen. Die obere Forstverwaltung mit einem Forstmeister an der Spitze war im Trübauer Schloss untergebracht. Draußen vor Ort waren Revierförster, Waldheger und Fürstliche Jäger tätig, die den Waldarbeitern (in den Wintermonaten verstärkt durch Maurer und Zimmerleute) die Arbeiten vorgaben und überwachten.Unter Fürst Alois Josef I. von Liechtenstein (1781-1805) wurde die Forstwirtschaft in der Herrschaft Mährisch Trübau neu ausgerichtet: Zur Arrondierung der Waldgebiete wurden weitere Wälder zugekauft. U.a. der große Spitalwald "Neidhart" zwischen Petersdorf und Wojes im Jahr 1790 und der Grünauer Gemeindewald "Ziegengerück". Die Waldgebiete wurden in zehn abgerundete Forstreviere eingeteilt, zentrale Forststellen (Forsthäuser) eingerichtet und mehr Personal angestellt. Zur leichteren Holzabfuhr wurden feste Waldwege angelegt.
Das im östlichen Teil der Herrschaft liegende Waldrevier Charlottendorf war mit 1032 ha das größte der 10 Reviere. Es grenzte im Osten an das "Revier Mürau" des Erzbischofs von Qlmütz und im Süden an das "Revier Ziadlowitz" des Grafen Dubsky. Im Zusammenhang mit der Gründung des neuen Ortes Charlottendorf auf den Fluren des Maierhofes Wojes wurde die an der Gabelung des alten Handelsweges Müglitz-Trübau, Abzweigung des Postweges nach Grünau-Gewitsch, liegende Schankwirtschaft 1790 angekauft und zu einem Forsthaus umgebaut. Geleitet wurde die neue Forststelle von einem Forstverwalter bzw. Revierförster, einem Forstadjunkten und Fürstlichen Jäger. Die Waldheger waren von ihren Wohnorten aus tätig.
Der erste Fürstliche Bedienstete, der mit seiner Familie im neuen Forsthaus wohnte, war der Jäger Ignaz Gläser aus Pirkelsdorf. Die Familie Gläser hatte 2 Töchter und l Sohn. Die am 24.5.1801 im Forsthaus Charlottendorf geborene Tochter Anna war mit dem freisinnigen Trübauer Bürgermeistersohn Josef Herkner liiert, musste aber auf Geheiß ihres Vaters den Ranigsdorfer Erbrichter Gromes heiraten. Ihr kurzes, unglückliches Leben wurde in dem Volksstück "ANNENRUHE" weithin bekannt.
Die Förster des Reviers Charlottendorf sind im Verzeichnis der Forstleute von 1840 bis 1928 namentlich aufgeführt. Zum letzten Fürst Liechtensteinschen Forstpersonal im Revier Charlottendorf gehörten im Jahr 1928 der Revierförster Ferdinand Brassa, Forstadjunkt Anton Wiesmann und die beiden Oberheger Anton Trieb und Josef Cadina. 1928 wurde das Forsthaus von der tschechischen Kolonisationsgesellschaft übernommen und als Forstverwalter Otmar Farer eingesetzt.
Gründung des Ortes Charlottendorf
In kaiserlichen Dekreten vom 20.7.1766 und 3.2.1770 wurde durch Kaiserin Maria Theresia und ihrem Sohn Josef II. angeordnet, unrentable Maierhöfe der Spitäler, Kirchen und Adeligen zu zerstückeln und an Landerwerber zur Bewirtschaftung zu verkaufen. Im Jahr 1786 kam das zu den Fürst Liechtensteinschen Gütern gehörende Hofgut Wojes zur Aufteilung. Wegen seiner ungünstigen Hoflage - Hofstelle und Wiesen im engen Wojestal, die Felder und Viehweiden auf der Hochfläche zwischen Wojes und Grünau -, war dieser Maierhof schwer zu bewirtschaften. Aus den dazu gehörenden Wirtschaftsflächen wurden 30 etwa 4,30 ha große Siedlerstellen gebildet. Die Grundstücke wurden ab 1786 vermessen und bei der Versteigerung am 6.9.1787 für durchschnittlich 360 Gulden an die Ansiedler verkauft.Einige Ansiedler kamen aus umliegenden Orten. Die alte Hofstelle Wojes, die anliegenden Ackerflächen und Wiesen wurden an 8 Siedler verkauft. Diese 8 Siedlerstellen mit den Hausnummern 1-8 waren bis 1945 der Ortsteil WOJESHOF in der neuen Gemeinde Charlottendorf. Die anderen 22 Siedlerstellen wurden auf der Gemarkung des neuen Ortes Charlottendorf beiderseits des in einer Geländesenke verlaufenden Postweges errichtet. Die zehn Hofstellen Richtung Seibelsdorf erhielten die Hausnummern 9-18, die Richtung Pirkelsdorfer Wald, später nach Bau der Staatsstraße Müglitz-Mährisch Trübau -Straßenseite- die Hausnummern 19 bis 30. Die an der Gabelung des alten Postweges Müglitz-Altstadt bzw. Müglitz-Gewitsch liegende Schankwirtschaft wurde unter Fürst Alois Josef I. von Liechtenstein im Jahr 1790 angekauft und zu einer zentralen Forststelle (Forsthaus) für das große Waldrevier umgebaut. -Hausnummer 31. Den Namen erhielt das neue Dorf nach der Gemahlin des damaligen Fürsten Alois I. von Liechtenstein, der Fürstin Karolina (1768 - 1831), genannt Charlotte. Charlottendorf wurde zur katholischen Pfarrei Grünau eingepfarrt und der Volkschule Grünau angeschlossen. Der Ortsteil Wojeshof blieb bei dem Kirch- und Schulort Altmoletein.
Ab 1788 erfolgte der Bau der Hofstellen in der damals im Schönhengstgau üblichen Bauweise: Links vom Hofeingang die Wohn- und Schlafräume, anschließend die Stallungen, hinten quer Scheuer und Schuppen, vorne rechts das Ausgeding(Altenteil), anschließend Holzschuppen und Geflügelstallungen.(Geschlossene Hoflage mit Hofraum).Um die Gebäude war Platz für Gemüse- und Obstgarten und ein Streifen Ackerland. Die anderen Felder waren auf der Gemarkung nach der Siedlerstellen-Reihenfolge vergeben. Zu jeder Siedlerstelle gehörte eine Wiesenparzelle im Wojestal. Ein kleiner Teil der Gemarkungsfläche blieb in Gemeindebesitz. In der wasserführenden Talaue wurden 4 kleine Teiche, 2 Stufenbrunnen und 2 tiefe Ziehbrunnen angelegt. Weitere Flächen wurden für Verbindungswege, Stierwiesen, Dorfanger und spätere Bebauung vorgesehen.
In den Jahren 1800 bis 1854 wurden entlang des alten Handelsweges weitere 11 Auenhäuser oder kleine Hofstellen errichtet. In der Talaue die Anwesen mit den Hausnummern 33 bis 39, Richtung Forsthaus die Häuser Nr. 32, 40, 41, und 42. Die Schankwirtschaft an der Gabelung des Handelsweges (Abzweigung des Postweges nach Grünau) wurde 1790 von der Fürst Liechtensteinschen Verwaltung angekauft und zu einer zentralen Forststelle für das Waldrevier Charlottendorf umgebaut. Das Forsthaus erhielt die Hausnummer 31. Das darauf ruhende Schankrecht ging an den Erbauer des Hauses Nr. 34. Dieses Gasthaus war mit das größte Gebäude im Ort. Es hatte viele Wohnräume, einen Saal, Wirtschaftsräume und Stallungen. Die Besitzer der Auenhäuser hatten zunächst nur kleine Hausgärten, konnten aber um 1845 von den Fürst Liechtensteinschen Flurstücken "Hutweide" und "Neuland" Grundstücke erwerben. Nach 1854 wurden im Ort Charlottendorf keine weiteren Hofstellen errichtet oder zusätzliche Häuser gebaut. Die Besiedelung war damit abgeschlossen! 1869 hatte Charlottendorf 214 Einwohner.
In den Jahren 1830 bis 1840 wurde der alte Handelsweg Olmütz-Müglitz-Mährisch Trübau-Prag neu trassiert und fest ausgebaut. Auf der Markung des Ortes Charlottendorf durchschnitt die neue Straße in leichten Bogen die 1787 erworbenen Flurstücke und führte dann nahe an den Anwesen 30-19 entlang (Strassenseite). Vor dem Haus Nr. 25 des Viktor Jarmer stand ein markanter weiß-roter Kilometerstein mit den Entfernungsangaben: Olmütz 50 km, Prag 200 km. Um 1850 wurde im Anger die Dorfkapelle erbaut, das davor stehende Steinkreuz im Jahr 1895 gestiftet und 1900 das Feuerwehr-Gerätehaus erstellt. 150 Jahre nach der Gründung des Ortes Charlottendorf waren 5 Familien (4-5 Generationen) in direkter Erbfolge auf demselben Anwesen sesshaft. Diese wurden bei dem Erntedankfest am 3.9.1936 in Mährisch Trübau als "Erbhofbauern" geehrt: Jarmer - Hnr. 13, Ficker - 16, Zirnig - 19, Leischner - 21, Schuppler - 15, in der weiblichen Linie. [KB-01]