Rudelsdorf
Erste Erwähnung: | 1304 (Rudolfsdorf) |
Einwohner 1930: | 1053 |
Fläche: | 1623 ha |
Landkreis: | Landskron |
tschech. Name: | Rudoltice |
Westlich der Stadt Landskron, im Tal zwischen Steinberg und Haselberg, erstreckt sich Rudelsdorf zu beiden Seiten des Dorfbaches, der in einem Wiesengelände der Michelsdorfer Flur entspringt. Der Volksmund nannte den Dorfbach den Grobm (Graben) und seine wichtigsten Zuflüsse Siemesgrobm, Beigrobm, Pforrgrobm. Die Ableitungen zu den beiden Mühlen waren die Mühlgräben (1622 hieß der Mühlenbesitzer Georg Moeller).
Die älteste Urkunde, die die Gemeinde besaß, war eine Abschrift des Stiftsbriefes des Leitomischler Bischofs Johannes von Neumarkt aus dem Jahre 1364, worin einem gewissen Nickl (Nikolaus), Sohn des Michelsdorfer Erbrichters Seidelmaß, nach dem Tode des Rudelsdorfer Erbrichters Henricius (Heinrich), der keine Erben hinterlassen hatte, das hiesige Erbgericht samt allen Liegenschaften übertragen wurde. Zum Erbgericht gehörten 5 Zinsbauern. Seit Beginn des 17. Jahrhunderts bis zum Erlöschen der Gerichtsbefugnisse im Jahre 1848 lag das Rudelsdorfer Erbgericht in den Händen der Familie Janisch.
Die Forschungen von Oberlehrer Jandl führten zu der Erkenntnis, daß
unsere Kirche zweifellos eines der ältesten Gotteshäuser in weiter
Umgebung war. Das bezeugten die wuchtigen Holzpfosten, die ihrer
Beschaffenheit nach von Baumriesen des einstigen Grenzurwaldes stammen
mußten. Aufgefundene Deckenbalken wiesen Wappenmalereien auf (1542).
Es handelte sich um Wappenbilder derer von Kostka und Postupitz,
der Herren von Pernstein und des Herzain von Haraß. Weitere Altertümer
waren die Glocken, gegossen 1466 und 1695. Das in Olmütz gefertigte
Tabernakel trägt die Jahreszahl 1622, das neue 1812. Ein altes Meßbuch,
das sich im Pfarrarchiv befand, ist 1494 in Leipzig gedruckt worden.
Die jetzige spätbarocke Rudelsdorfer Kirche wurde 1804-1808 erbaut.
Ihr Baumeister war der in den Diensten des Fürsten von Liechtenstein
stehende Architekt Josef Hartmuth, der auch die Pfarrkirche in
Böhmisch Trübau und Nieder Lichwe erbaute. Zu jener Zeit war Krieg
gegen Napoleon. In der Pfarrchronik lesen wir: "Die Teuerung stieg
im Jahr 1806 von Tag zu Tag ... Geldsorgen bedrohten auch den
Bau der Kirche." Zuletzt wurde 1808 der Turm gebaut. 1809 feierte
der neugeweihte Priester Johann Süß von Nr. 103 in der neuerbauten
Kirche seine Primiz. 1625 wurde nach Landskron eingepfarrt, 1677 wieder
eine eigene Pfarrei. Von 1755 bis 1766 war Rudelsdorf der Pfarrei
Thomigsdorf zugeteilt. Daran erinnert noch der Tommesdoff-Steig, ein
Abkürzungsweg, der quer über Felder und Wiesen führte. Mit einem
Schreiben vom 5.10.1765 bat der Fürst den Erzbischof von Prag um
die Errichtung einer eigenen Pfarrei, die 1766 erfolgte.
Neben der Mariensäule von 1696 hab es die Statuen des hl. Nepomuk 1737/53,
der seligen Jungfrau Maria 1775 und der Dreifaltigkeit 1807, das Kreuz
von 1741/69 und das von 1800.
1683 ist in der Chronik erstmals eine Schule bezeugt. Der Unterricht wurde zunächst in Privathäusern gehalten, die Teilnahme war freiwillig. Die erste Rudelsdorfer Pflichtschule war eine einklassige Pfarrschule. 1766 wurde das Schulgebäude zur Pfarrwohnung und die Schule übersiedelte in das Nachbarhaus Nr. 97. Der Grundstein zur neuen Schule (Nr. 200) wurde 1831 gelegt. Nach 6 Monaten war der Bau fertig und wurde festlich eingeweiht. Die Schule war anfangs 2-klassig und im Jahr 1881 3-klassig. 1887 erfolgte ein Schulhausanbau.
Einen bedeutenden Fortschrift brachte der Gemeinde der Bau der
Eisenbahnstrecke Olmütz-Prag. 1854 erhielt Rudelsdorf einen Bahnhof
und war damit an das Eisenbahnnetz angeschlossen. 1883 wurde die
Lokalbahn Rudelsdorf-Landskron in Betrieb genommen. Mit dem Bau
des zweiten Eisenbahngleises 1930-33 erhielt Rudelsdorf ein
neues Bahnhofsgebäude. Der Haupterwerbszweig war stets die Landwirtschaft.
Die Bodenverwendung war folgende: 781 ha Ackerboden, 422 ha Wälder,
282 ha Wiesen, 27 ha Weidefläche.
Im allgemeinen sind zwei Bodenarten zu unterscheiden: roter Sandboden an
der Ostseite und toniger Lehmboden an der Westseite. Hier waren
die Felder durch stauendes Wasser sehr in Mitleidenschaft gezogen
und die Ernteerträge dementsprechend nicht zufriedenstellend.
Abhilfe schaffte Entwässerung durch Drainagen, deren planmäßige
Durchführung sich die Wassergenossenschaft 1904 zur Aufgabe machte.
Von den Körnerfrüchten wurde in erster Linie Winterrogen angebaut, die nächsten Stellen nahmen Hafer und Winterweizen ein. Der Wald gehörte zum größten Teil der Liechtensteinischen Grundherrschaft und nach 1918 dem Staat. Bauernwälder findet man größtenteils am Fuße des Steinberges und auf dem Haselberg; im Gehölz waren die Nadelbäume vorherrschend.
Die Errichtung einer Leinenweberei durch Peter Praus 1835 in der späteren Gastwirtschaft Stangler hätte beinahe zu einer industruiellen Entwicklung geführt. Die Firma lieferte Leinen für Militärwasche. Die Ursachen des Niederganges dieser Weberei lagen hauptsächlich darin, daß die österreichische Militärverwaltung plötzlich die billigere Baumwolleinwand bevorzugte und Praus diese rasche Umstellung nicht mitmachen konnte. Von den Gewerbetreibenden hatten die Lebzelterzeugung Chladek und die Gold- und Silberschmiede Kaupe eine über die Grenzen unserer Gemeinde hinausragende Bedeutung. Erwähnenswert ist auch der Elektrotechniker Sitte, der 1931 während der Elektrifizierung den Bau der Hausanschlüsse und die Montierung der Kirchenbeleuchtung ausführte.
Die Arbeiterschaft des Ortes bestand aus Fabrikarbeitern, die ihre Arbeitsplätze in den Betrieben Landskrons hatten, dann aus Maurern und Zimmerleuten, deren Arbeitgeber die Landskroner Baumeister waren und schließlich aus Land- und Forstarbeitern, die im Dorfe selbst ihr Brot verdienten. Hinzu kommen die Eisenbahner, die sich in den meisten Fällen nach Dienstschluß als Feierabendlandwirte betätigten.
Ältester Verein war die 1872 gegründete Freiwillige Feuerwehr. 1887 wurde das Landwirtschaftliche Casino als Zweig des Land- und Forstwirtschaftlichen Bezirksvereins Landskron gegründet. 1881 entstand mit dem Schulkreuzer-Verein die erste kulturelle Vereinigung, die der Förderung der Schule diente. 1906 wurde der Bund der Deutschen gegründet, 1912 die Ortsgruppe des Deutschen Schulvereins (1923 in den DKV eingegliedert). 1891 entstand die Theatergesellschaft, 1927 der Deutsche Theaterverein. 1923 der Bund der deutschen Landjugend. Die Molkereigenossenschaften von Abtsdorf und Landskron sorgten für einen geregelten Absatz der Milchprodukte und schufen für die Landwirte eine regelmäßige Einnahmequelle. Ebenso guten Zuspruch erfuhr die Landskroner Lagerhausgenossenschaft. 1898 wurde die Spar- und Darlehenskasse gegründet, 1900 der Notschlachtverein, 1936 der Unterstützungsverein der Heimat Söhne im Weltkrieg.
Bis zum 1. Weltkrieg schlug die Politik in Rudelsdorf keine hohen Wellen. Erst mit dem Zusammenbruch der Österreichisch-Ungarischen Monarchie erwachte das Interesse für Politik. Stärkste politische Kraft wurde der Bund der Landwirte, der auch den Gemeindevorsteher stellte. Den Gemeindesekretär stellte die Deutsche sozialdemokratische Partei.
In Rudelsdorf existierte eine kleine tschechische Minderheit, die seit der Gründung der Tschechoslowakei von 14 auf 60 Personen angewachsen war. Dies waren vorrangig Beamte der Eisenbahn und der Gendarmerie mit ihren Familien. 1929 setzte der tschechische Nationalverband Národní Jednota Severoceská die Errichtung einer tschechischen Minderheitsschule durch.
Zur Ortsgeschichte sei noch erwähnt:
1643 werden aus Rudelsdorf und Thomigsdorf 400 Rinder und 300 Schafe
von kaiserlichen Kroaten fortgetrieben. 1654 plündern und brandschatzen
1500 Schweden bei ihrem Durchzug. Während des 30-jährigen Krieges bekommen
über die Hälfte der Höfe völlig andere Besitzer, 1748 waren 800 Russen
17 Wochen lang einquartiert. 1802 brannten 9 Häuser ab. In den Jahren
1887 und 1914 richtete Rudelsdorf das Gauverbandsfest der freiwilligen
Feuerwehren aus. 1929 wurde eine Motorspritze angeschafft. 1927
war Glockenweihe 1928 wurden 4 Bachbrücken gebaut, 1939 eine eigene
Poststelle eröffnet. Unter dem letzten Bürgermeister und Schulleiter
Alois Süß wurde ein Sportplatz und eine Badegelegenheit für die
Jugend geschaffen. Der letzte Pfarrer war Wenzel Schinkmann-Langner.
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