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35 - die Armen

Im Jahre 1919 kaufte die Gemeinde das Haus Nr. 89 von Marie Ostermann, das nach kleinen Umbauten als Armenhaus diente. Vorher waren die Ortsarmen in gemieteten Räumen im Bauernhof Nr. 18 (Kreuziger) untergebracht. Angeblich soll auch einmal das Haus Nr. 81 (Langer Wenzel) als Armenhaus gedient haben. Bevor aber die Gemeinde solche Räumlichkeiten den Ortsarmen zur Verfügung stellen konnte, mußten diese von den Bauern abwechselnd einige Tage gehalten und verpflegt werden. Man nannte diesen Vorgang "umzechert" gehen.

Zwei originelle Ortsarme aus letzter Zeit sollen nicht unerwähnt bleiben. Nach dem 1. Weltkrieg hatte der Gemeindevorsteher Franz Richter (er war ein Spaßvogel und hat selbst gern mitgemacht) den Ortsarmen Eduard Götzl zum Ortspolizisten bestellt. Die Uniform bestand aus einer rotgestreiften schwarzen Hose, Artilleriebluse, schwarzer Mütze und langem Säbel. Stolz und würdevoll durchschritt er das Dorf um jede Gelegenheit wahrzunehmen, wenn im Ort sich Bettler oder Zigeuner zeigten. Es gelang ihm auch, dieselben mit gezogenem Säbel über die Ortsgrenze zu deportieren. Das Dorf war dann auch sogar von solchen Elementen gemieden worden. Er selbst, jahrelang den Bettelstab in der Hand, hatte zuvor die ganze Gegend durchwandert und kannte daher alle Kniffe und Schliche. Zur Gaudi und zum Spaß hatten verkleidete und entstellte Burschen manchmal sonntags den gestrengen Polizisten zu Amtshandlungen veranlaßt, sozusagen hinter die Fichte geführt. - Karl Köhler (im Volksmund Kooler Koarl) hatte von Jugend her schom immer kranke Beine. Ein Bein war immer stark vereitert und verheilte nicht. Daher war er schlecht zu Fuß und taugte zu keiner Arbeit. Wenn er aber doch einmal bei jemanden Hand anlegte, schon des Essens wegen, und wegen seiner Langsamkeit zur Eile ermahnt wurde, gab er höchstens die Antwort: "za woos denn, as iis jo ijan Toog gewogsen anejt". Trotz seiner schlechten Beine kam er doch weit herum bis in andere Bezirke. Der vom Übel geplagte Mensch beeindruckte die Leute so sehr, daß diese aus Barmherzigkeit das nächste Krankenhaus anriefen und er von einem Sanitätsauto abgeholt wurde. Es ging nach seinem Wunsch. Er bekam gute Behandlung, Wäsche, Kleider, Essen und ein warmes Bett. Die Rechnung durfte die Gemeinde bezahlen.
Es wird im Kreis keine Hochzeit gegeben haben, bei der nicht der Kooler Koarl dabei erschienen wäre. Er war ein starker Esser und liebte gute Kost. "Ich koo ja aa of d`Hochzeit gia, nejt? Gabt ma ner viel z'assn, ich ho an gruusn bunga un an Weij mißta ma oba aa gabn, nejt? Ich trinkn aa gadn". Er bekam es auch, denn niemand wollte als geiziger Hochzeiter ausgetragen werden.

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