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55 - Verlauf des ersten Weltkriegs

Wie es zum Kriegsausbruch kam: So traf wie ein Blitzschlag aus heiterem Himmel im Juni 1914 die Nachricht von der Ermordung des österreichischen Thronfolgerpaares in Sarajewo die Bevölkerung. Die Befürchtung, daß es nun zum Krieg gegen Serbien kommen würde, wurde schon am 26. Juli 1914 durch die allgemeine Mobilmachung der österreichisch-ungarischen Armee Wirklichkeit. Bereits am folgenden Tag mußten alle gedienten Männer bis zum Alter von 40 Jahren zu ihren ehemaligen Truppenkörpern einrücken.

Schwer war der Abschied voneinander, wohl in der Hoffnung auf ein glückliches, gesundes Wiedersehen. Doch 18 kraftstrotzende Männer des Ortes waren dann nicht mehr zurückgekehrt. In der Liebe und Begeisterung zum Vaterland wurden an die Soldaten in den Transportzügen die an die Front rollten, in den Bahnhöfen mit Liebesgaben beschenkt. Es waren Zigaretten, Wein, Liköre, Bäckerei und anderes mehr.

Da es zu Anfang des Krieges an Verbandsmaterial und Watte fehlte, wurde dem Aufruf folgend von mehreren Frauen in dem Gasthaus Langer aus abgelegten Leintüchern Fleckchen geschnitten und mit den Händen zerzupft. Dies ergab ein weiches, flaumiges Material, Charpie genannt.
Dem eintretenden Mangel an Uniformstoffen und Decken zu begegnen, sammelten die Schulkinder Brennesseln und trockneten sie.

Der im Verlauf der Kriegsjahre mehrmals aufgelegte Zeichnung von Kriegsanleihe wurde jeweils in starkem Maße nachgekommen. Unter dem Motto "Gold gab ich für Eisen", wurden goldene Schmuckstücke gespendet, wofür man zum Gedenken an die große Zeit einen eisernen Fingerring mit eingeprägtem Reichsadler und Jahreszahl erhalten hatte.

Allmählich wurde die Dienstpflicht auch auf die nichtgedienten Jahrgänge ausgedehnt und in den Jahrgüngen nach unten und oben erweitert, so daß schließlich von den 242 männlichen Einwohnern ganze 124 unter den Fahnen standen.

In der Krieaswirtschaft traten auf allen Gebieten Engpässe ein. Das führte auch zu Beschlagnahmen von Messing- und Kupfergeräten, miteingeschlossen Türen- und Fenstergriffen. Zum Leidwesen des Dorfes war auch die Glocke unseres Kirchleins dem Krieg zum Opfer gefallen. Die Glocke wurde im Jahre 1916 bei der Polizeiwache am Stadtplatz in Landskron abgeliefert. Die Ablieferungsvorschreibungen von Rindern, Pferden, Getreide und anderen Lebensmitteln wurden dauernd gesteigert, bis zudem gegen Kriegsende Hausdurchsuchungen (Requirierung) vorgenommen wurden. Trauer, Sorge und Not bedrückten die Bevölkerung.

Als der Bundesgenosse Italien seinen Bündnisvertrag mit Deutschland und Österreich-Ungarn gebrochen und an Seite der Feinde beiden Mächten den Krieg erklärt hatte, entstand an der österreichisch-italienischen Grenze ein Kampfgebiet, das aus militärischem Grund von der Zivilbevölkerung geräumt wurde. Die Betroffenen wurden weit in das Hinterland geschickt. Nun bekam auch unsere Gemeinde einige italienisch sprechende Familien zugeteilt. Sie waren aus dem Raum bei Rovereto. Mit zwei Pferdegespannen des Langer Nr. 15 und Richterhof von Nr. 4 wurden diese am Bahnhof Rudelsdorf abgeholt und im Gasthaus Neugebauer untergebracht. Am folgenden Tag wurden die Familien in leerstehende Wohnungen eingewiesen und zwar in den Ausgedingen der Höfe Heinrich von Nr. 63, Tomsche Nr. 9 und Peschl Nr. 20. Ein Teil verblieb im Gasthaus Neugebauer. Die Arbeitsfähigen erhielten sogleich Arbeit zugeteilt und die Arbeitsunfähigen bekamen eine finanzielle Unterstützung zum Lebensunterhalt. Einige der Kinder hatten in der Schule bereits gut deutsch gelernt und blieben auch in den ersten Jahren der Rückführung in ihre Heimat mit ihren ehemaligen Lehrern und Hausleuten im Briefwechsel.

Damals haben wir keineswegs gedacht, daß nach 30 Jahren auch uns, die Sudetendeutschen ein noch viel schlimmeres Schicksal der Vertreibung aus der angestammten Heimat beschieden sein soll.

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